Zusammenfassung:
Das Gericht bestätigt in der Urteilsbegründung, es „kann angemessen sein, vorhandene Nutzungen auf den Bestand zu reduzieren. Dies setzt jedoch voraus, dass gewichtige Belange auf der anderen Seite dies zwingend erforderlich machen.“ (S. 21, Abs. 2).
Folgerichtig bemängelt das Gericht, dass sich die Stadt alleine auf das „Restrisikogutachten“ des Öko-Instituts stützt und Feststellungen fehlen, die konkret das Gewicht dieses Belangs belegen. Vielmehr ergäben sich aus dem Risikogutachten „keine Einzelheiten oder belastbare Fakten, die das Risiko eines Schadenseintritts sowohl hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit als auch des Schadensausmaßes beschreiben“. Es hätte „jedenfalls eine Berechnung zu erwartender Werte auf
der Grundlage der strahlenschutzrechtlichen Genehmigungen durchgeführt werden können, aus der sich Maximalwerte einer Strahlenbelastung außerhalb des Betriebsgeländes ergeben könnten“ (S. 22). „Soweit das Gutachten auf die Ergebnisse des „Stresstests“ der Entsorgungskommission Bezug nimmt, fehlt es ebenfalls an belastbaren konkreten Feststellungen.“ „Weder Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens durch Flugzeugabsturz noch Absehbarkeit eines daraus folgenden
Schadensumfangs werden angesprochen“. “Ohne die empfohlenen weiteren Schritte der Prüfung […] lässt sich auch für die von der Antragsgegnerin vorzunehmende Gewichtung des Risikos aus dem Stresstest ein Anhaltspunkt für eine konkrete Gefährdung nicht erkennen.“ (S. 23).
Hier wird überdeutlich: Die Stadt darf sogar jede Erweiterung über den Bestand hinaus verbieten, sofern sie begründen kann, dass bereits der derzeitige Zustand im Katastrophenfall eigentlich nicht vertretbare Risiken birgt. Hierfür bedarf es konkreter Belege durch einen Stresstest!
Die – nicht entscheidungsrelevanten – Anmerkungen des Gerichts zur Möglichkeit der Setzung von Grenzwerten durch die Stadt, um bei Vorliegen noch unerforschter Teilbereiche und in Ermangelung bereits erlassener Grenzwerte eigene Vorsorgegrundsätze anwenden zu können (vgl. S. 13-15), werden dadurch nicht berührt.
Auch sind die – entscheidungsrelevanten – Einwände des Gerichts in Bezug auf unkonkrete textliche Festsetzungen (B I Ziffer 5, S. 5 -6) in Bezug auf die Definition, was eine Erweiterung der Produktion oder der Kapazität ist und wann ein Gutachten zu erstellen ist (vgl. S. 17 – 19), in einem neuen Bebauungsplan leicht vermeidbar. Das Gericht fordert hier lediglich eine Erhebung des IST- Zustands (des Grades der Ausschöpfung bestehender Genehmigungen) und eine saubere Definition der relevanten Bezugsgrößen (z. B. Freigrenzen, Becquerel, Tonnen, m³ etc.).
Anmerkungen:
Eine Reduzierung der Nutzung auf den vorhandenen Bestand würde ausschließlich auf einer Erhebung der Folgen eines katastrophalen Unfalls beruhen, wie dies bei jedem anderen Risikobetrieb (Tanklager, Chlorchemiefabrik, Giftgaslager, Feuerwerksfabrik…) ebenfalls gefordert wäre. Die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung werden hierbei nicht angetastet, sondern lediglich als anerkannte Maßstäbe für die Bewertung der Gefährlichkeit herangezogen.
Es käme in Analogie zu den Ausführungen des BVerfG zum Atomausstieg II vermutlich auch zu keiner entschädigungspflichtigen „Enteignung“ in Bezug auf bestehende Genehmigungen, sondern lediglich zu einer entschädigungsfreien Nutzungsbeschränkung in Bezug auf die Ausnutzung dieser Genehmigungen an diesem konkreten Ort. Baurechtlich würde lediglich die Schaffung baulicher Voraussetzungen für eine weitere Verschärfung eines ohnehin schon unvertretbar hohen Risikos untersagt.
Die Stadt ist aufgrund ihrer Fürsorgepflicht auch nach Auffassung des Gerichts nicht nur berechtigt, sondern sogar dazu verpflichtet, Risiken, die sich ergeben können, bei ihrer Abwägung zu berücksichtigen. (vgl. S. 15). Daraus folgt die Verpflichtung, entsprechende Risiken ausreichend genau zu erfassen, hier konkret, einen Stresstest durchführen zu lassen, sofern die Daten nicht ausreichend zeitnah anderweitig in entsprechender Qualität beschafft werden können. In Abwägung berechtigter Belange kann es angemessen sein, vorhandene Nutzungen auf ihren Bestand zu reduzieren, wenn gewichtige Belange dies – wie hier – zwingend erforderlich machen (vgl. S. 21).
Hier geht’s zur Analyse und dem Urteil mit unseren Hervorhebungen.