— Offener Brief wurde übergeben —
Deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen – versprochene Überarbeitung des Euratom-Vertrages umsetzen
Am 1. Juli 2020 übernimmt Deutschland den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. In dieser Zeit leitet und koordiniert die deutsche Bundesregierung die Arbeit des Rates. Die unterzeichnenden Organisationen und Initiativen erwarten von der Bundesregierung, dass sie den Vorsitz der Ratspräsidentschaft dafür nutzt, endlich einen konkreten Zeitplan für die Überarbeitung des EURATOM-Vertrages zu vereinbaren.
Bereits in der Koalitionsvereinbarung von 2018 haben CDU/CSU und SPD vereinbart, dass der EURATOM-Vertrag „hinsichtlich der Nutzung der Atomenergie an die Herausforderungen der Zukunft angepasst“ werden muss. Weiter wurde als Teil der Koalitionsvereinbarung festgehalten, dass in Zukunft „keine EU-Förderung für neue Atomkraftwerke“ erfolgen dürfe. Ausdrücklich weisen wir darauf hin, dass diese Vereinbarungen im Koalitionsvertrag bei weitem zu kurz greifen und fordern die Bundesregierung auf, sich innerhalb der EU für einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie einzusetzen. Wir erwarten von der Bundesregierung jedoch, dass sie mindestens die im Koalitionsvertrag zugesicherte Revision des EURATOM-Vertrages als einen Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft voranbringt.
Der EURATOM-Vertrag verhindert einen ökologischen Umbau der Energieerzeugungsstruktur in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und steht damit den Klimazielen von Paris diametral entgegen. Schon in der Präambel des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft wird als Ziel eindeutig festgeschrieben, „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen“ und die Atomenergie wird als „eine unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirtschaft und für den friedlichen Fortschritt“ dargestellt. Jüngst wurde auf den Einwand Österreichs in seiner Klage gegen die massive Subventionierung des Baus des Atomreaktors Hinkley Point in Großbritannien vom Gerichtshof festgehalten, dass „weder die Vorschriften über staatliche Beihilfen noch der Euratom-Vertrag eine technische Innovation verlangen“ und deshalb eine grundsätzliche Subventionierung des Baus neuer Atomkraftwerke durch die Nationalstaaten mit den europäischen Verträgen vereinbar sei.
Auf die eindeutige Ausrichtung des EURATOM-Vertrages wurde in der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union zum geplanten neuen Atomkraftwerk in Hinkley Point ausdrücklich Bezug genommen. In der Pressemitteilung des Gerichtshofes wird darauf verwiesen, dass sich „das Ziel der Förderung der Kernenergie, insbesondere das Ziel der Schaffung von Anreizen für die Schaffung neuer Kapazitäten der Erzeugung von Kernenergie, mit dem Ziel der Euratom-Gemeinschaft, Investitionen im Bereich der Kernenergie zu erleichtern, deckt“ . Spätestens nach diesem Urteil muss die Bundesregierung handeln und eine Überarbeitung des EURATOM-Vertrages in den EU-Gremien anstoßen und bei den anderen Mitgliedstaaten einfordern.
Die Forderung aus dem Koalitionsvertrag, wonach „Deutschland bei der Reaktorsicherheit in Europa dauerhaft Einfluss ausüben müsse – auch nach dem Ausstieg aus der nationalen Nutzung der Kernenergie“ muss mit einer konkreten Ausstiegsforderung aus der Atomenergie verbunden werden. Auch die Forderung, „für umfassende Sicherheitsüberprüfungen“ und ambitionierte verbindliche Sicherheitsziele in der EU“ einzutreten, ist sinnvoll und muss jedoch mit einer klaren Forderung nach einer schnellstmöglichen Abschaltung aller Atomkraftwerke und Atomanlagen in den Mitgliedstaaten der EU verbunden werden.
Von der deutschen Bundesregierung erwarten wir während des Vorsitzes im Rat der Europäischen Union in der zweiten Jahreshälfte 2020, dass sie
- konkrete Vorschläge für die Auflösung oder Vertragsänderung des EURATOM-Vertrages vorlegt, um die EU-weite Förderung der Atomkraft zu beenden vorlegt
- innerhalb der nächsten 6 Monate eine Vertragsstaatenkonferenz einberuft, um die o.g. Auflösung oder Revision in die Wege zu leiten.
- eine Verschärfung der Sicherheitsrichtlinie 2014/87/Euratom einleitet, nach welcher neue KKW – d.h. KKW, die 2020 oder danach in Betrieb genommen werden – in Zukunft das Sicherheitsniveau aktueller AKW erfüllen müssen (etwa EPR), statt wie bisher jenes von vor 30 Jahren, als deren Bauarbeiten begonnen wurden (etwa Mochovce 3&4/Slowakei)
Darüber hinaus fordern wir die Bundesregierung auf:
- sich aktiv für die schnellstmögliche Abschaltung aller Atomkraftwerke in der EU einzusetzen;
- sich für die Aufnahme eines neuen Artikels in die EU-Verträge einzusetzen, der ein Verbot des Baus von neuen Atomkraftwerken in den Mitgliedstaaten der EU vertraglich festschreibt;