Wer während des Hearings dem Beitrag von Frau Bruns-Philipps gefolgt ist, die für das Landesgesundheitsamt sprach, war bereits bei den ersten Sätzen erleichtert: Offenbar gibt es keinerlei nachweisbare gesundheitliche Folgen im untersuchten Bereich! Es wäre auch wirklich erfreulich, wenn sich herausstellen sollte, dass Grund zur Entwarnung vorliegt. Frau Bruns-Philipps arbeitete im Vorfeld bereits aufgeschlossen und äußerst sachgerecht mit der BISS zusammen, und ihre Argumentationen gegen eine statistische Relevanz leuchten uns ein. Allerdings: Das heißt nicht, dass alles harmlos ist.
Auch an der ASSE hatte man bis vor wenigen Jahren stets das Ergebnis fehlender statistischer Relevanz; erst ein Mikrokrebsregister (straßengenau statt kommunenbezogen) brachte belastbare Ergebnisse. Deshalb hat sich das Gesundheitsamt ja auch so genau die von uns genannten Gebiete angesehen. Dieses Register ist aber beileibe nicht vollständig! Man kann anhand des vorliegenden Datenbestandes weder sagen, dass alles in Ordnung ist, noch behaupten, es läge ein Nachweis erhöhter Erkrankungsraten vor. Das einzige, was man sicher verbreiten kann, ist bislang die Tatsache, dass die Datenlage unzureichend ist.
Prinzipiell liegt hier ein ähnliches Missverständnis vor wie bei der vor einigen Tagen verbreiteten Nachricht, die Asse-Arbeiter unterlägen keiner nachweisbaren Gesundheitsgefährdung; tatsächlich ist es so gewesen, dass 700 Mitarbeiter angeschrieben wurden, aber lediglich 22 davon an der freiwilligen Befragung überhaupt teilnahmen. Dass das nicht repräsentativ sein kann, ist offensichtlich und wurde von den Verantwortlichen auch eingeräumt; leider gab es aber in den Medien anschließend auch verkürzte Nachrichten, in denen es dann wieder hieß: Alles in Ordnung…
Zurück zur Situation in Braunschweig: Das Gesundheitsamt hat beispielsweise keinen Zugriff auf Daten von Menschen, die weggezogen sind und erst Jahrzehnte später erkrankten. Außerdem ist hier zu unterscheiden zwischen den Verstorbenen und den Menschen, die aktuell erkrankt sind; Todesursachen können relativ leicht aus den Unterlagen ermittelt werden, wobei auch hier Einschränkungen zu machen sind (mitunter liegt eine akute Todesursache vor, die nicht unbedingt auf eine zugrundeliegende Krebserkrankung hindeutet), aber einem Arzt, der eine vorliegende Krebserkrankung eines Patienten an das Krebsregister melden möchte, stellt sich ein riesiger Berg von Bürokratie und Papierkram in den Weg, sodass von dieser Möglichkeit nicht immer Gebrauch gemacht wird.
Auch an der ASSE konnte erst unter behördlichem (!) Druck Zugang zu den sensiblen Daten gewonnen werden. Ein solches Vorgehen ist in Braunschweig bislang – vermutlich aus offensichtlicher Interessenlage heraus – nicht erfolgt. Es wäre natürlich wünschenswert, eine solche Überprüfung stattfinden zu lassen; in diesem Fall würden die Patienten bzw. Angehörigen direkt angesprochen, die Befreiung des Arztes von dessen Schweige- bzw. Anonymisierungspflicht entfiele, und man könnte u.U. auch Menschen erreichen, die weggezogen sind.
Wie bereits gesagt, kritisieren wir hier aber nicht das Vorgehen Frau Dr. Bruns-Philipps‘; wir finden es nur schade, dass bezeichnender- wie verständlicherweise viele der Zuhörer nach ihrem Vortrag den Raum verließen, weil das der für sie entscheidende Punkt war, und dass diesen Menschen die wichtige Information nicht deutlich wurde, dass dies lediglich der augenblickliche Wissensstand ist. Immerhin wurden aber, wie man weiß, dankenswerterweise weitere Untersuchungen in Aussicht gestellt. Warten wir’s ab – und hoffen wir das Beste!