Die Pressemitteilung »[Erster Stadtrat] Lehmann: „Akteneinsichtnahmen belasten Verwaltung enorm„« sorgt eher für Belustigung denn für Besorgnis: Offenbar ist die Verwaltung der Ansicht, die Zunahme der Anträge auf Akteneinsicht sei nicht mehr hinnehmbar. Obwohl es verständlich ist, dass drei bis acht Stunden Zusatzarbeit pro Akteneinsicht kein Pappenstiel sind, wenn man sich vor Augen führt, dass im vergangenen halben Jahr 22 derartige Vorgänge durchgeführt wurden, ist es im Sinne der Transparenz nicht einsichtig, weshalb man diesen demokratischen Ablauf eingrenzen will.
„[D]ass es in anderen Städten nicht annähernd ähnlich häufige Akteneinsichtsgesuche“ gibt, mag sein; in diesem Zusammenhang ist dann allerdings nach der Ursache dieser Häufung in Braunschweig zu fragen. Und die liegt wohl kaum darin begründet, dass, wie Herr Lehmann mutmaßt, „manche Fraktionen die Akteneinsicht […] als Selbstzweck betrachten – und damit unnötig Zeit der Verwaltung binden“. Vielmehr gibt es in dieser Stadt einen erheblichen Mangel an Transparenz, und zwar nicht nur, aber eben auch im Umgang mit den bislang an sehr langer Leine gehaltenen Thuner Nuklearfirmen.
Wenn nun einzelne Parteien ihrem demokratischen Recht auf Akteneinsicht nachkommen, ist das aus Sicht vieler Bürger ein Vorgang, für den man seine Steuergelder tendenziell gern ausgegeben sieht. Die Akteneinsichten, von denen die BISS Kenntnis hat, waren mehr als sinnvoll – sie waren unumgänglich! In einer intransparenten Situation ist die Klärung von entscheidungsrelevanten Fragestellungen durch die Kenntnisnahme von Fakten nicht nur ein Recht der politisch Verantwortlichen, sondern sogar deren Pflicht. Weit bedenkenswerter als die Zahl der Einsichtnahmen ist aus unserer Sicht, dass die „großen“ Parteien im Stadtrat nur zwei der zweiundzwanzig Anträge stellten (jeweils einer für Bündnis90/Die Grünen bzw. CDU), während BiBS und Piraten gemeinsam auf 20 kommen.
Das Zitat Herrn Lehmanns, das Akteneinsichtsrecht dürfe „allein zur Überwachung und Durchführung der Beschlüsse des Rates und des sonstigen Ablaufs der Verwaltungsangelegenheiten, nicht aber allgemein zur Beschaffung von Informationen eingesetzt werden“, ist an dieser Stelle strategisch hervorragend positioniert, moralisch aber nicht nachvollziehbar. Die BISS ringt an allen erreichbaren Stellen in demokratischen Bahnen um Informationen, die uns ständig vorenthalten werden – wenn dann jemand „zur Durchführung der Beschlüsse des Rates“ in den Akten gewissermaßen als Beifang grundlegende Informationen zutage fördert, ist das weder ein Rechtsbruch noch eine bewusste Überforderung der Verwaltung, sondern die Wahrnehmung eines demokratischen Rechts, sogar einer Pflicht. Aus Bürgersicht: ein Geschenk.