Landtag wiegelt auch im Wesertunnel ab: „Restrisiko“

Dem in Bremerhaven erscheinenden Sonntagsjournal der Nordwestdeutschen Verlagsgesellschaft ist heute zu entnehmen, dass sich der Niedersächsische Landtag auf Anregung der Wesermarsch-Abgeordneten Ina Korter (Grüne) mit der Frage auseinandersetzen musste, ob der Transport von Mox-Brennelementen durch den Wesertunnel (Bremerhaven / Nordenham) verantwortbar sei. Für uns interessant sind dabei u.a. folgende Punkte:

  • Der Artikel spricht explizit „Brennelemente aus den Forschungsreaktoren Geesthacht [sic] sowie „Plutonium-Beryllium-Quellen einer Firma aus Braunschweig“ an und betont, der Transport sei „auf großen Teilen der Strecke sogar ohne Polizeischutz“ erfolgt – für uns leider ein gewohntes Bild!
  • Der Transport erfolgte nach der vermutlichen Durchquerung des Wesertunnels über den privaten Midgard-Hafen. Die bremischen Häfen sind ansonsten mittlerweile für Atomtransporte gesperrt. Hier erscheint öffentliche Begleitung bzw. Beobachtung besonders wünschenswert.
  • Zuletzt sollen im September Transporte erfolgt sein; voraussichtlich im November kommen dann die nächsten Mox-Brennelemente aus Sellafield an. Sie sollen nach Grohnde verbracht werden, das bekanntermaßen nicht allzu weit von Braunschweig entfernt liegt.
  • Frau Korter sorgt sich, weil im Wesertunnel „[b]ei einem schweren Unfall, zum Beispiel einer Kollision mit einem Treibstoff- oder Flüssiggastransport mit anschließendem Brand“ ein erhebliches Risiko extremer Temperaturen bestünde, während die Mox-Behälter „nur über einen Sicherheitsnachweis für einen Brand bei 800 Grad Celsius für maximal 30 Minuten verfüg[t]en“. Diese Sorgen liegen im Rahmen der Überlegungen, aus denen heraus die BISS die Erstellung bzw. Offenlegung von Katastrophenplänen und einen Stresstest für das EZN-Gelände fordert.

Spannend ist nun der Umgang mit den Bedenken der Abgeordneten. Dem Hinweis, dass für den Wesertunnel früher einschränkende Auflagen in Bezug auf Gefahrgute bestanden hätten, setzte Frau Korter die Frage hinzu, „warum dies überhaupt geschehen sei und ob der Tunnel überhaupt entsprechende Sicherheitseinrichtungen habe“. Im Artikel wird Verkehrsminister Jörg Bode (FDP) zitiert, der sich – zumindest im Zitat – in keiner Weise auf die Bedenken bezog, sondern lediglich darauf verwies, dass zwischen 2004 und 2010 Gefahrguttransporte immerhin nachts den Tunnel durchqueren durften, während seit 2010 diese Beschränkung aufgehoben sei, weil ein Gutachten aufgrund von Verkehrszahlen lediglich ein verbleibendes Restrisiko erkennen ließ – eine Aussage, die einmal mehr nur das Recht (oder eher: Gesetz), nicht aber die Gerechtigkeit in den Blick nimmt und die angesichts des beigefügten Artikelfotos (Auto- und Busschlange auf gesamter sichtbarer Tunnellänge) besonders zynisch wirkt. Busse sind schließlich gelegentlich voll besetzt, auch diejenigen im Wesertunnel, und zwar nicht mit vereinzelten Restrikoträgern, sondern mit Menschen.

Nicht zuletzt liegt diese utilitaristische Ansicht (das Gutachten liefert ein Szenario möglicher Opferzahlen, die aber zu gering sind, um von Menschleben zu sprechen; hier bleibt nur „verantwortbares Restrisiko“) voll in einer wirtschaftlichen Logik, die viele Menschen glücklicherweise inzwischen als zweitrangig begreifen: Das Auffinden einer alternativen Lösung ist teurer als der entsetzt-mitleidige Blick, der bei einem Unfall fällig wäre, also nehmen wir diese unangenehme Möglichkeit eben in Kauf. Nicht schön. Aber offenbar genauso wie bei der o.g. „Firma in Braunschweig“.