Im März 2012 antwortete die damalige niedersächsische Landesregierung in der Drucksache 16/4661 auf eine „Kleine Anfrage“ der Linkspartei. Dabei ging es um die Frage, welche Gefährdung durch radioaktive Strahlung sich aufgrund der Tätigkeit des Unternehmens Eckert & Ziegler in Braunschweig-Thune für die Anwohner ergibt. Eine Analyse der darin genannten Daten zeigt: Die dort aufgelisteten Strahlungswerte weisen z.T. erhebliche Diskrepanzen auf zwischen den Betreibermessungen und den Messungen der kontrollierenden Behörde (NLWKN).
Wir haben in diesem Zusammenhang mehrfach das Gewerbeaufsichtsamt (GAA) auf den Missstand aufmerksam gemacht und die Behörde nun aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Strahlengrenzwerte endlich eingehalten werden. Die Anwendung der in Thune vorgenommenen Sonderregelung, die de facto über die 2000-h-Regelung eine Strahlendosis von 4,38 mSv/a erlaubt, ist aufgrund der räumlichen Nähe zum Schulzentrum mit über 1.000 Schülerinnen und Schülern sowie zur Wohnbevölkerung unverantwortlich.
Auch die Abluftgenehmigungen sind ein nicht zu unterschätzender Faktor, da Eckert & Ziegler nach eigenen Aussagen 900.000 m3 Abluft pro Tag emittiert. Für verschiedene Nuklide (z.B. Tritium, Jod-131, Americium-241) liegen den Thuner Firmen spezielle Abluftgenehmigungen vor, die deutlich über den in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) genannten Grenzwerten liegen.
Im Fall von Jod-131 ist besonders auffällig, wie stark hier die eigentlich für die gesamte Republik gültigen Höchstwerte aus der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) überschritten werden dürfen: Eckert & Ziegler wird gestattet, in 24 Stunden das 200-fache des Höchstwertes freizusetzen, GE Healthcare / Buchler wird sogar das 500-fache zugestanden.
Das allein ist schon skandalös genug. Es wird aber noch erschreckender, wenn man weiß, dass laut StrlSchV eigentlich kein anderes Radionuklid über die Abluft abgegeben werden darf, wenn bereits ein Radionuklid die erlaubte Konzentration erreicht. In Thune jedoch findet diese sogenannte Summenregel keine Anwendung. Mit anderen Worten: Die Strahlenschutzverordnung hat nicht grundlos festgelegt, dass jeweils nur ein Nuklid in bezeichneter Höhe freigesetzt werden darf, aber in Thune beachtet man diese Regelung nicht. Hier kann ungestraft jedes genehmigte Nuklid bis zum Höchstwert in die Umwelt abgegeben werden.
Wir haben daher den niedersächsischen Umweltminister, Herrn Wenzel, sinngemäß gefragt (den Offenen Brief finden Sie hier):
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- Wie kommt es zu derart auffälligen Diskrepanzen zwischen Betreiber- und NLWKN-Messungen? Wieso sind diese eklatanten Unterschiede bei der Betrachtung der Überwachungsberichte niemandem aufgefallen?
- Weshalb werden bei den Messungen keine Fehlertoleranzen ausgewiesen? Bei amtlichen Messungen ist es üblich, bei jedem Messwert neben der Zahl und der Einheit auch die zugehörige Messunsicherheit anzugeben oder den Messfehlerbereich zu nennen. Die Diskrepanzen zwischen der Betreibermessung und der NLWKN-Messung zeigen ja offensichtlich, dass hier Messfehler bestehen.
Normalerweise geht man so vor, dass man die technisch bedingten Messunsicherheiten zum gemessenen Wert hinzurechnet. So soll größtmögliche Sicherheit gewährleistet werden, indem keine Strahlenaktivität aus technischen Gründen unbetrachtet bleibt. Das aber bedeutet: Die oben genannten Grenzwertüberschreitungen würden demnach bei üblicher Berechnung sogar noch gravierender ausfallen. - Wie kann es sein, dass die Werte des abzuziehenden Referenzpunktes im betrachteten Zeitraum (1992-2010) deutlich schwanken? Großflächige radioaktive Freisetzungen wie bei Tschernobyl sind in den genannten Jahren nicht vorgefallen. Warum wurde hier nicht hinterfragt, ob der Referenzpunkt angemessen ist, der ja als angenommene Hintergrundstrahlung von den Messwerten in Wenden und Thune abgezogen wird? Wenn ein Referenzpunkt belastet ist, fallen die damit berechneten Werte grundsätzlich zugunsten der Strahlenquelle und zuungunsten der Bevölkerung aus.
Sobald wir vom Umweltminister eine Antwort erhalten, werden wir gern darüber berichten, denn die hier aufgeworfenen Fragen zeigen angesichts der äußerst zweifelhaften, extrem hohen Genehmigungen (sowohl für die Direktstrahlung am Zaun als auch für die Abluft), dass man bei der Genehmigung und Überwachung der Strahlenbelastung gewissenhafter und sorgfältiger hätte vorgehen müssen. Sowohl Genehmigung als auch Überwachung sind unzureichend und gehören umgehend korrigiert.
Wir fordern daher eine konsequente Anwendung des Minimierungsgebots – gerade aufgrund der sensiblen Lage durch die Nachbarschaft zu Kita, Schulen, Jugendzentrum und Wohnbebauung. Für gesunden Lebensraum in Braunschweigs Norden!