Veranstaltungsempfehlung
Vortrag am Montag, 7.12.2015, 18.30 Uhr, TU Braunschweig
Vorbemerkungen:
Wer legt fest, wie viele Todesfälle oder Gesundheitsschäden durch „künstliche“ Radioaktivität akzeptiert werden?
Radioaktivität verursacht Gesundheitsschäden und kann in Abhängigkeit der Dosis Krebs auslösen und zum Tode führen. Dies gilt bereits für die „natürliche“ Strahlenbelastung, die keineswegs als unproblematisch angesehen werden sollte.
„Die jährliche natürliche Strahlenbelastung (oder genauer: die jährliche natürliche Dosis) eines Mitglieds der Bevölkerung in Deutschland beträgt durchschnittlich 2,1 Millisievert (effektive Dosis).“ [1]
Eine Studie bezogen auf Bayern, wo die natürliche Hintergrundstrahlung regional unterschiedlich hoch ist, kommt zum Ergebnis:
„Bei einer Erhöhung der Hintergrundstrahlung um 1 Millisievert pro Jahr erhöht sich die Krebsrate um 10%, die Säuglingssterblichkeit gar um 21%.“ [2]
„Der Grenzwert für die effektive Dosis zum Schutz von Einzelpersonen der Bevölkerung beträgt 1 Millisievert im Kalenderjahr (§46 Strahlenschutzverordnung).“ [3]
Danach dürfen Atomanlagen in Deutschland Direktstrahlung und radioaktive Partikel an die Umgebung in Höhe von insgesamt 1 Millisievert pro Jahr abgeben (zusätzlich zur natürlichen Hintergrundstrahlung). Mit der Festlegung dieser willkürlichen Schwelle werden Krebs- und Todesfälle durch den Betrieb der Anlagen in Kauf genommen. Für radioaktiv belastete Lebensmittel gelten ebenfalls Grenzwerte.
„Die aktuellen Grenzwerte in der EU und in Japan schützen nicht und kalkulieren eine hohe Anzahl von Strahlentoten ein“ [4]
Die Höhe eines Grenzwertes mit entsprechenden Konsequenzen (Todeszahlen) wird letztlich von Fachgremien und Wissenschaftler_innen vorgegeben. Sie haben damit großen Einfluss darauf, was der Bevölkerung zugemutet werden darf.
Die Veranstaltung hinterfragt die sogenannte „Wertsetzungskompetenz“ von Wissenschaftler_innen auch an anderen Beispielen.
Montag, 7. Dezember 2015, 18.30 Uhr
Hörsaal SN 19.4, TU-Altgebäude, Pockelsstraße 4
Ethik der Forschung – Vorhersagen, Transparenz und Vertrauen.
Die Figur des wissenschaftlichen Experten an der Schwelle von Wissenschaft und Politik.
Vortrag von:
Prof. Dr. Martin Carrier, Universität Bielefeld
Gesellschaftliche Kontroversen über wissenschaftliche und technische Projekte – z. B. Fracking, Atomkraft oder Klimapolitik – beziehen sich oft implizit oder explizit auf Werte. Diese Werte müssen ausgehandelt werden. Welche Rolle spielen hier Wissenschaftler_innen, die z. B. im Auftrag einer Behörde oder eines Unternehmens Feststellungen treffen sollen? Welche persönliche Verantwortung hat ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin als Mitglied der Scientific Community? Gilt es zu trennen zwischen der Rolle als Wissenschaftler_in und derjenigen als Bürger_in? Wer handelt in der Gesellschaft Werte aus? Was sind die strukturellen Bedingungen für Konflikte und Ausshandlungsprozesse in unserer Gesellschaft? Prof. Dr. Martin Carrier forscht über die Figur des Wissenschaftlichen Experten an der Grenze zwischen Wissenschaft und Politik, und eines der Themen ist dabei, welche besonderen Standards für die Qualität von Expertenempfehlungen einschlägig sind. Wir haben ihn gebeten, zu diesen Fragen anhand seiner Forschungen zur Rolle der deutschen Strahlenschutzkommission in der Politikberatung Stellung zu nehmen.
Prof. Dr. Martin Carrier lehrt Philosophie an der Universität Bielefeld. Seine Forschungen betreffen ein breites Feld von wissenschaftsphilosophischen und wissenschaftshistorischen Fragestellungen. Er ist Leibniz-Preisträger und Mitglied zahlreicher Akademien, u. a. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz.
Hier der Flyer zur Veranstaltung.
Link zur Veranstaltung: http://www.tu-braunschweig.de/zukunftsfragen/termine
Quellen:
1) http://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/natuerliche-strahlenbelastung/natuerliche-strahlenbelastung.html
3) http://www.bfs.de/DE/themen/ion/strahlenschutz/grenzwerte/grenzwerte.html